Begrüßungsrede von Sabine Balke Estremadoyro, Vorstand i.d.a.-Dachverband
Sehr geehrte Bundesministerin, liebe Gäste,
ich begrüße Sie alle herzlich im Namen meiner Kolleg*innen von i.d.a., unserem Dachverband der Lesben- und Frauenarchive, -bibliotheken und -dokumentationsstellen. Wir freuen uns sehr, dass wir heute den Onlinegang des Digitalen Deutschen Frauenarchivs mit Ihnen zusammen feiern. Danke, dass Sie alle gekommen sind.
Wir freuen uns, dass wir an diesem Ort den Festakt begehen: Vielleicht haben Sie schon die Galerie der Frauen entdeckt links neben dem Saal. Dort finden Sie unter anderem ein Bild von Hedwig Dohm, eine Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht. Sie war Gasthörerin in diesem Haus.
Die Präsidentin der Humboldt-Universität Prof. Dr. Kunst ist leider terminlich verhindert. Doch Sie hat uns ein Grußwort mitgegeben. Ich zitiere: „Zum Wintersemester 1908, wurden erstmals Frauen zum Universitäts-studium an der heutigen Humboldt-Universität zu Berlin zugelassen. Aber bis heute haben wir noch immer eine erhebliche Unterrepräsentanz von Frauen auf ordentlichen Professuren. Das Digitale Deutsche Frauenarchiv ist ein wichtiger Schritt, um mit dem Wissen um die Geschichte der Frauenbewegung weiterhin für eine geschlechtergerechte Zukunft einzutreten.“ Zitatende
Damit wird klar, worum es uns heute mit dem Onlinegang des neuen digitalen Frauenarchivs geht: Zukunft braucht Erinnerung – und umgekehrt ergibt sich aus dem Erinnern die Motivation oder sogar die Notwendigkeit zu handeln.
Vor gerade einmal zwei Jahren haben die ersten Mitglieder von i.d.a. damit begonnen, Material aus ihren analogen Beständen für die Digitalisierung vorzubereiten. Dass wir bereits heute online gehen, ist eine riesige Leistung, für die ich mich bei allen ganz herzlich bedanke: Danke an alle i.d.a.-Mitglieder, danke an die Gremien, die das DDF begleiten: die ida-Fachkommission und unser Wissenschaftlicher Beirat. Im Beirat sind Wissenschaftlerinnen und Verbände vertreten sowie Vertreterinnen aus drei Häusern: dem Frauenministerium, dem Ministerium für Bildung und Forschung und eine Vertretung der Beauftragten für Kultur und Medien.
Und ich möchte ein großes Dankeschön aussprechen an mein Team in der Berliner DDF-Geschäftsstelle – ihr seid großartig. Und natürlich geht mein und unser gemeinsamer Dank in Richtung Förderung des DDF: zum einen an unsere Ansprechpartnerinnen im BMFSFJ – Liebe Frau von Bassewitz, danke, dass Sie uns zur Seite stehen. Und zum anderen geht unser Dank an die Politik, die dieses Digitale Deutsche Frauenarchiv auf ihre Agenda gesetzt hat. Vor zwei Jahren also haben wir mit der Digitalisierung begonnen.
Der heutige Onlinegang ist ein großer Meilenstein der Frauenbewegung und ihrer Erinnerungsarbeit – doch die Digitalisierung feministischer Geschichte steht damit erst am Anfang. Was Sie ab heute im Portal sehen, ist eine erste Auswahl aus den Beständen von i.d.a.-Einrichtungen. Jeden Monat werden nun weitere Materialien dazu kommen. Aber auch bis Projektende 2019 kann nur eine Auswahl gezeigt werden. Es gibt noch sehr viel mehr Schätze in den feministischen Bibliotheken und Archiven. Und: es werden immer mehr. Denn Lesben- und Frauenbewegungen sind lebendig, vielfältig – und ihr Wissen, ihre Errungenschaften sind unverzichtbar für die Gesellschaft. Frauen und Lesben machen sich stark für eine demokratische Gesellschaft.
Der Onlinegang kann nicht besser liegen als in diesem Jahr: In den nächsten Monaten jährt sich das Jubiläum zu 100 Jahre Frauenwahlrecht. Rechtzeitig zu diesem Festjahr geht ab heute die neue Adresse für Frauen- und Lesbengeschichte ins Netz. Unser Onlinegang ist Teil der Kampagne „100 Jahre Frauenwahlrecht“. Die Kampagne startete vor 14 Tagen mit der Ausstellung „Damenwahl“ in Frankfurt. Die Kampagne schlägt den Bogen von Geschichte zu Politik mit der Frage: Wofür streitest du?
Deutschlands größte Frauenlobby, der Deutsche Frauenrat, in dem auch i.d.a. Mitglied ist, und der das DDF unterstützt, schlägt diesen Bogen vom 100-Jahre-Jubiläum zur aktuellen Forderung nach Parität. Aber nicht nur der Kampf um Parität war und ist ein Politikum, sondern auch weibliche Geschichtsschreibung: In der allgemeinen Geschichtsschreibung waren und sind Dokumente von Lesben- und Frauenbewegungen nicht archivwürdig.
Unsere Botschaft von i.d.a. zum Jubiläum: Frauen Machen Geschichte. Dafür streiten wir im i.d.a.-Dachverband seit Jahrzehnten. Ab heute bekommt unser i.d.a.-Motto „Frauen machen Geschichte“ einen Hashtag. Auf wunderbare Weise fällt das 100-Jahre-Jubiläum zusammen mit dem 50 Jahre Jubiläum. Heute auf den Tag genau wurden in Frankfurt Main Tomaten geworfen. Der Protest richtete sich dagegen, dass allein Männer die politische Rede halten und Frauen allein für die Kinderbetreuung zuständig sind. Die Verteilung von politischer Rede und Macht und die Verteilung von Sorgearbeit – das sind Themen von Frauenbewegung und -politik bis heute.
Der Tomatenwurf war eine Aktion, die Geschichte machte. Solche Aktionen zu dokumentieren – DAS war und ist bis heute Antrieb unserer feministischen Erinnerungseinrichtungen von i.d.a. Der Tomatenwurf markiert einen Anfang. Nicht DEN Anfang – einen von vielen. Es gibt viele feministische Bewegungen mit verschiedenen Anfängen. Aber genau darum geht es in Frauenbewegungen und -politik: immer wieder anzufangen und dranzubleiben. Deshalb verbinden wir heute unseren Onlinegang auch mit einem Blick auf den Bogen vom „Tomatenwurf zum Hashtag“. Ich danke Ihnen sehr, liebe Teilnehmerinnen unserer Gesprächsrunde, dass Sie heute hier sind und uns in einer kurzen Runde teilhaben lassen an ihren Rück- und Ausblicken.
Vom Tomatenwurf zum Hashtag: wir Feministinnen wünschten, dass der Titel unserer heutigen Gesprächsrunde nicht so brennend aktuell wäre, wie er in den letzten Wochen wieder geworden ist.
Sehr geehrte Ministerin, Sie haben zum Kampagnenauftakt betont: „100 Jahre allgemeines Wahlrecht“ kein Frauenthema, sondern es geht um die Demokratie. Und so – meine ich – ist die Frauenbewegung als die zentrale erfolgreiche Bewegung des 20. Jahrhunderts heute gefordert, wenn es darum geht, Demokratie und errungene Rechte zu verteidigen. Die Erinnerung an 100 Jahre Frauenwahlrecht heißt für heute: Einstehen für Demokratie, für 50:50, also für echte Parität – und es heißt einstehen für eine demokratische freie Gesellschaft, wie unter dem Hashtag #unteilbar.
Mit dem Onlinegang heute machen wir einen Anfang. Weitere Digitalisierungsprojekte stehen an – bis Ende 2019, und auch darüber hinaus: So steht es im Koalitionsvertrag von 2018. Dafür ein herzliches Dank an alle, die sich dafür auf den verschiedenen Ebenen stark gemacht haben: vom Deutsche Frauenrat, über unsere Beirätinnen und unsere i.d.a.-Mitglieder, die bei ihren Bundestagsabgeordneten in den Wahlkreisen auf offene Ohren stießen. Einige können heute hier sein – herzlichen Dank Ihnen allen!
Zum Schluss wünsche ich Ihnen nun allen ab heute spannende Entdeckungen im neuen Digitalen Deutschen Frauenarchiv. Ich wünsche mir, dass Frauenbewegung und -politik dieses Portal als IHR digitales Gedächtnis annimmt. Ich hoffe sehr, dass das Digitale Deutsche Frauenarchiv mehr ist als nur ein digitales Fenster in die Schätze analoger Einrichtungen. Dass DDF soll auch zur Tür werden: Zu den Erinnerungseinrichtungen feministischer Bewegungen, die hinter dem DDF stehen.
Auch das ist eine Botschaft des DDF: Ohne analog gibt es kein digital!
Ich wünsche mir, dass Sie alle das DDF mit Ihren guten Wünschen begleiten: damit dieses DDF als DAS Gedächtnis unserer vielfältigen feministischen Bewegungen ab heute weiter wachsen kann.
Vielen Dank!