Für queere Vielfalt in der Geschichtsforschung und Gedenkpolitik

Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus

PRESSEMITTEILUNG

Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus: Für queere Vielfalt in der Geschichtsforschung und Gedenkpolitik

Am 27. Januar 2020 jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz bereits zum 75. Mal.

Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg erinnert an die Opfer des Nationalsozialismus, insbesondere an das Leid lesbischer, schwuler, bisexueller, transgender, transsexueller, intersexueller und queerer (LSBTTIQ) Menschen und fordert den Wandel von der traditionellen andronormativen Geschichtswissenschaft zu einer Perspektivenvielfalt in Wissenschaft und Forschung sowie die Forschungsförderung von Lesbengeschichte als Teil queer-feministischer Geschlechterforschung.

Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Der Name wie auch der Ort stehen symbolhaft für den millionenfachen und systematisch geplanten Mord aus rassistischen, politischen, sozialen und anderen Gründen. Die Kategorisierung menschlichen Lebens in so genanntes „höher- und minderwertiges Leben“ eröffnete den Weg in die systematische Tötung von Menschen, denen das Lebensrecht abgesprochen wurde. Das Land Baden-Württemberg gedenkt dieses Jahr der Opfer dieser so genannten „Euthanasie“.

Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz erinnert das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg besonders an das Leid lesbischer, schwuler, bisexueller, transgender, transsexueller, intersexueller und queerer (LSBTTIQ) Menschen. Auch sie wurden in der hetero- und andronormativen Logik der nationalsozialistischen völkischen Familien- und Bevölkerungspolitik gesellschaftlich als „unnütz“, „schädlich“ und „überflüssig“ stigmatisiert, zwangssterilisiert oder aus Heil- und Pflegeanstalten abgeschoben und getötet. Unzählige wurden auf der Grundlage des § 175 und § 129 (in Österreich) und anderer Gesetze und Erlasse willkürlich kriminalisiert und als Homosexuelle und „Asoziale“ in Arbeits- und Konzentrationslager gebracht.

Dabei sind die vielfältigen und komplexen Ausgrenzungsmechanismen von Normierung, Kriminalisierung und Repression immer noch wenig erforscht, die transsexuelle, transgender oder intersexuelle Menschen und lesbische und bisexuelle Frauen jeweils anders betrafen als die aufgrund des § 175 systematisch verfolgten homosexuellen Männer.

Bis heute fehlt daher lesbischen Frauen wie geschlechtlichen Minderheiten die vorbehaltlose Anerkennung als Opfergruppe. So fehlt im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück ein öffentliches Zeichen des Gedenkens an lesbische und queere Frauen* – und bis heute wird damit verhindert, dass diese Opfergruppe Teilhabe an der symbolischen Ordnung und am   symbolischen   Kapital   hat.   Bereits   2015   hat   die   international  vernetzte   lesbische   Community   mittels   der „Lesbengedenkkugel“ ein Zeichen gesetzt für Selbstrepräsentanz und für eine queer-feministische Deutungshoheit über Geschichte auch als Lesbengeschichte, das wieder entfernt wurde.

Völkisch-nationalistisches Gedankengut und diskriminierende Geschlechterkategorien, Sexualitäts- und Familienbilder werden seit Jahren wieder offen von rechtspopulistischen und neonazistischen Kräften propagiert. Umso notwendiger ist es, die historischen Ursprünge und Bezüge zum Nationalsozialismus differenziert zu erforschen und ins gesellschaftliche Bewusstsein zu rücken.

Das Netzwerk LSBTTIQ unterstützt daher Forderungen nach Forschungsförderung von Lesbengeschichte als Teil queer- feministischer Geschlechterforschung und die Förderung lesbischer und queer-feministischer Expert_innen. Das Netzwerk LSBTTIQ fördert den Wandel von der traditionellen andronormativen Geschichtswissenschaft zu einer Perspektivenvielfalt in Wissenschaft und Forschung, die der Vielfalt von Menschen und ihren Lebensgefügen gerecht wird.

Über das Netzwerk: Das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg ist ein überparteilicher und weltanschaulich nicht gebundener Zusammenschluss von lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queeren (LSBTTIQ) Gruppen, Vereinen und Initiativen. Das Netzwerk zeigt damit bereits die Vielfalt und die Vielgestaltigkeit von Geschlecht und sexueller Orientierungen. Ziel des Netzwerks ist es, die Zusammenarbeit der verschiedenen LSBTTIQ-Mitgliedsgruppen auf Landesebene zu fördern und den Erfahrungsaustausch zu intensivieren, zu zentralen Themen gemeinsame Positionen zu erarbeiten und gegenüber landespolitischen Entscheidungstragenden zu vertreten. Dabei greift das Netzwerk auf die vorhandenen Kompetenzen und Expertisen der Mitglieder zurück. Die Bündelung der Aktivitäten vor Ort erbringt Synergieeffekte, die den gesellschaftlichen Beitrag der Mitgliedsgruppen wirkungsvoller gestaltet. Die Eigenständigkeit jedes Mitglieds wird respektiert und alle Mitglieder arbeiten gleichberechtigt.

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LSBTTIQ: Die Abkürzung steht für einzelne Richtungen in der vielfältigen Regenbogen-Gemeinschaft – lesbisch (L), schwul  (S),  bisexuell  (B), transgender (T), transsexuell (T), intersexuell (I), queer (Q).

 

veröffentlicht am 27. Januar 2020